Kindergeschichten-Archiv

Kindergeschichten aus der School for Life

 

Rote Erde

 

Jamy, „Jimmy“ Jator, neun Jahre

Als Jimmy, mit seinen neun Jahren wie ein Sechsjähriger aussehend, im April 2004 zur Schule des Lebens kam, hatte er einen aufgequollenen Bauch, sein Gesicht rötete sich zusehends. Die Erwachsenen dachten, er habe Würmer. Das rote Gesicht konnten sie sich nicht erklären. In den ersten Tagen zog Jimmy sich oft zurück, war in versteckten Winkeln der Farm, auf dem Acker, hinter Büschen und dort, wo die Pickup-Wagen parkten. Eines Tages bemerkte einer der Farmer, dass eines der Räder seines Wagens besonders sauber war. Hinter dem Wagen entdeckte er Jimmy. Der hockte auf dem Boden und leckte ein zweites, von roter Erde verkrustetes Rad ab. Er leckte die Erde von Felgen und Reifen. In den nächsten Tagen beobachteten die Erwachsenen, wie Jimmy sich immer wieder aufmachte, um Brocken von roter Erde wie Chips in den Mund zu schieben: Jimmy, der vorher überlebt haben musste, indem er Erde aß und der davon nicht lassen wollte.
Die Erwachsenen versuchten ihm Reis, Gemüse und Fleisch schmackhaft zu machen. Aber Jimmy hing an seiner Erde. Da bewachten ihn die Erwachsenen Tag und Nacht und noch einmal Tag und Nacht, und das zwei Wochen lang: Sie hielten ihn davon ab, Erde zu schlucken und boten ihm das Essen der anderen Kinder an. Danach überließen sie Jimmy sich selbst. Ein paar Tage später sagte er: „Ich esse keine Erde mehr.“ Da klatschten alle. Jimmy bekam einen großen Preis. Sein Gesicht sah nunmehr so braun aus wie die Gesichter der anderen Lahu auch. Gelegentlich hatte er noch Rückfälle, aber nur gelegentlich.

 

 


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